Europäische Zukunftsunsicherheit

08.07.2021

Europäische Unsicherheit wird sichtbar, wenn es um die zukünftige Rolle von Europa unter den Weltmächten sowie beim Umgang mit den USA geht. Dies bestätigt eine aktuelle Stimmungsanalyse der Arbeitsgemeinschaft MARKET & Lazarsfeld.

Ist EU-Europa aus dem Tritt gekommen? Schwächelt der EU-Wirtschaftsraum im Vergleich zu den anderen globalen Wirtschaftszentren? Welches Bild hat die österreichische Bevölkerung von EU-Europa und seinem Verhältnis zu den USA?

EU-Europa präsentiert sich aus der Perspektive der österreichischen Bevölkerung im Quervergleich mit den USA, China und Russland unübertroffen in Sachen Lebensqualität, Menschen- und Bevölkerungsrechte sowie Verantwortung für die Umwelt. Daraus resultiert eine hohe politische Stabilität, politische Berechenbarkeit sowie das Image einer modernen „Wertegesellschaft“. Diese starken Vorteile haben ihren Preis: Die hohe Stabilität Europas dürfte ein Gegenpol zur wirtschaftlichen Dynamik sein. Auch die Erwartung an das wirtschaftliche Zukunftspotential liegt besorgniserregend niedrig. Offenkundig fehlt der Glaube an eine prosperierende wirtschaftliche Zukunftsentwicklung auf dem alten Kontinent.

In Sachen Wirtschaft übertrumpft China alle, und zwar mit einem riesigen Vorsprung. Möglicherweise verursacht dies eine gewisse wirtschaftliche Rat- und Mutlosigkeit in der Bevölkerung.  Wie performen die USA und Russland? Beide Wirtschaftsblöcke wurden ebenfalls abgefragt. Die Einschätzung Russlands fällt extrem dünn aus. Offenkundig sind der Kenntnisstand und auch die Erwartungshaltung eher gering.

Den USA wird aus österreichischer Sicht ein spannendes Profil attestiert. Zunächst einmal werden die Europäer im Vergleich zur US-Bevölkerung als eindeutig modernere Gesellschaft eingestuft. Bei Individualität, Umweltverantwortung und Lebensqualität können die USA mit Europa nicht mithalten. Die erste markante Profilierung der USA findet sich beim Item „nimmt am meisten politische Verantwortung für die Welt wahr“. Zwar sehen sich auch die EU-Europäer in diesem Punkt tonangebend, aber hier stehen „Eigenlob“ und „Fremdeinschätzung“ prozentuell ganz knapp beisammen. Die USA übertrumpfen Europa in der wirtschaftlichen Dynamik knapp, liegen aber ebenfalls im Vergleich zu China weit abgeschlagen.

Was die USA auszeichnet, ist die militärische Weltmachtstellung. Hier führen die USA uneingeschränkt.

Das große Vorbild USA ist aus europäischer Sicht ziemlich verblasst. Vom amerikanischen Traum ist nur die militärische Vormachtstellung geblieben. Damit stellt sich die Frage: „Wie wichtig sind die USA für Europa?“ Sehr wichtig wurde von 22 Prozent der Befragten zu Protokoll gegeben. Dieses Segment der USA-Begeisterten korreliert mit dem Alter der Befragten in der Richtung: Je älter desto begeisterter. Daraus lässt sich ableiten, dass sich die USA-Identifikation über die Jahre eher abgeschwächt hat. Insgesamt ist aber eine mehrheitlich positive Grundstimmung für die USA in der österreichischen Bevölkerung vorhanden. 70 Prozent erachten die USA für sehr wichtig oder eher wichtig für Europa.

Eine etwas größer gewordene emotionale Distanz zwischen EU-Europa und den USA wird auch in den Antworten auf die Frage: „Wie sollte die EU ihre Beziehung zu den USA gestalten?“ 36 Prozent möchten vertiefen. Wieder die Älteren mehr als die jungen Bevölkerungssegmente.  Die restlichen 64 Prozent plädieren für die Aufrechterhaltung des derzeitigen Beziehungsstatus oder für eine Abschwächung.

Zarter Optimismus keimt, dass die Qualität der Beziehung von EU-Europa zu den USA sich in Zukunft etwas bessern wird. Große Schritte erwartet man sich nicht, aber insgesamt mehr Harmonie nach Donald Trump dürften eine realistische Einschätzung sein.

MARKETSTUDIE MT2139/ KW 26 2021; 1000 Befragte repräsentativ für die österreichische Bevölkerung ab 16 Jahren
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