Ein Jahr Corona: Vertrauen in staatliche Institutionen schwer beschädigt

31.03.2021

Der Kienzl Effekt: Mangelndes Vertrauen in staatliche Institutionen führt zum Stabilitätsverlust der Demokratie.  

Nach einem Jahr Corona und Corona-Maßnahmen zeigen sich tiefe kollaterale Schäden für die Demokratie. Der Vertrauensverlust der österreichischen Bevölkerung in wichtige staatliche Institutionen im Vergleich zum Vorjahr ist dramatisch. In Umfragen zeigt sich außerdem ein Akzeptanzproblem der Demokratie und die Wahrnehmung, dass Meinungsfreiheit nur mehr in reduzierter Form besteht.

Es ist das Verdienst des Pioniers der österreichischen Meinungsforschung, Heinz Kienzl (1922-2020), bereits früh auf einen wichtigen Zusammenhang hingewiesen zu haben: Vertrauen in Institutionen ist der „soziale Kitt“, das Sozialkapital, auf das eine Demokratie bauen kann und begünstigt ihr Funktionieren. Geht das Vertrauen in staatliche Institutionen verloren, beschädigt das in weiterer Folge unweigerlich die Stabilität der Demokratie. Diesen kausalen Zusammenhang zwischen Vertrauen in Institutionen und Demokratiestabilität nennt die Paul Lazarsfeld Gesellschaft (PLG) in Ehrung ihres langjährigen Obmanns Heinz Kienzl den „Kienzl-Effekt“.

Kienzl selbst hat aufbauend auf diese theoretische Annahme bahnbrechende Studien konzipiert, etwa das „Demokratiemonitoring“ für den Zukunftsfonds der Republik Österreich, welches das Vertrauen der Bevölkerung in wichtige staatliche Institutionen über einen längeren Zeitraum hinweg misst. So kann der aktuelle „Gesundheitszustand“ der Demokratie festgestellt werden. Mit der „Gesellschaftsindikatorforschung“ setzt die Paul Lazarsfeld Gesellschaft (PLG) in Kooperation mit dem MARKET Institut diese wichtige Arbeit fort und kommt dabei aktuell zu folgenden nachdenklich stimmenden Ergebnissen.

Das Vertrauen in die österreichische Demokratie und politische Kultur hat sich im Corona-Jahr dramatisch verschlechtert und prozentuell halbiert. Noch während der ersten Corona-Welle vor einem Jahr erzielte die Demokratie-Beurteilung ein hohes Prozentniveau. Nahezu zwei Drittel der Österreicher beurteilten damals den Zustand der Demokratie mit sehr gut oder gut. Inzwischen ist die Beurteilung tief eingebrochen, wobei vor allem die stark negative Entwicklung in den letzten zwei Monaten auffällt.

 

Ausgelöst wurde diese Talfahrt der Demokratie und politischen Kultur von einem beispiellosen Vertrauensverlust der wichtigsten staatlichen Institutionen. Negativer Spitzenreiter ist die Bundesregierung mit einem Minussaldo von 29 Prozentpunkten im letzten Jahr. Ebenfalls schwer betroffen sind Kanzler und Vizekanzler in ihrer Vertrauensbilanz. Auch das Parlament und der Bundesrat haben kein gutes Bild hinterlassen und an Vertrauen verloren. Die kritische Beurteilung macht auch vor dem höchsten Amt im Staat nicht Halt. Der Bundespräsident erzielt ein Vertrauensminus in der Pandemiezeit von minus 17 Prozentpunkten. In diesem Ausmaß haben auch die Landesregierungen an Akzeptanz verloren.

Überraschend stabil, wenngleich auf einem insgesamt sehr niedrigen Niveau, ist die Vertrauensperformance der EU. Am wenigsten von der Vertrauenskrise betroffen sind die Polizei, die Oppositionsparteien, die Nationalbank sowie die Industriellenvereinigung.

Dokumentation der Umfrage MT2135: MARKET INSTITUT, Basis: 1.000 national repräsentative Interviews (online im MARKET Panel) Befragungszeitraum: KW13 / 2021
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