Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf die österreichische Wirtschaft. Das gilt auch für den Bereich der Lehrlingsausbildung. Eine von z.l.ö. – zukunft.lehre.österreich. in Auftrag gegebene Studie zeigt die verheerenden Folgen: 10.000 Lehrstellenplätze stehen auf dem Spiel. „Die Zukunft der Lehre ist gefährdet. Wenn wir nicht schnell handeln und mit konstruktiven Lösungsansätzen gegensteuern, wird sich der bereits jetzt schon stark spürbare Fachkräftemangel noch weiter vergrößern. Das Resultat für unsere Wirtschaft wäre fatal“, warnt DDr. Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich und z.l.ö.-Präsident.
10.000 Lehrstellenplätze in Gefahr
Eine von z.l.ö. in Auftrag gegebene Studie des Marktforschungsinstituts MARKET untersuchte die Auswirkungen der Corona-Krise auf die duale Ausbildung in Österreich. Befragt wurden 400 österreichische Ausbildungsbetriebe im Zeitraum vom 29. April bis zum 08. Mai. Die Untersuchung ist unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, dass 2020/21 viele Lehrstellen vom Markt verschwinden werden. Die Hälfte der Lehrbetriebe fühlt sich von der aktuellen Krise stark betroffen. Maßgeblich geändert haben sich daher auch die Einstellungspläne der Unternehmen. Ein Viertel der Lehrbetriebe spricht von Auswirkungen der Krise auf die künftige Anstellung von Lehrlingen. Knapp ein Viertel jener Betriebe, die planen weniger Lehrlinge anzustellen, reduziert die Zahl im Durchschnitt um etwa 1½ Lehrlinge für das Lehrjahr 2020/21 im Vergleich zur ursprünglichen Planung. In diesen Lehrbetrieben sind nun um bis zu 10.000 Lehrstellenplätze weniger zu vergeben, als noch vor COVID-19 geplant. Besonders betroffen sind dabei die Sparten Handel (ca. -3.500 mögliche Lehrstellen), Gewerbe und Handwerk (ca. -3.000), Tourismus und Freizeitwirtschaft (knapp -2.000) sowie Industrie (knapp -1.000). „Die Industrie ist sich ihrer Verantwortung in der Berufsbildung bewusst. Selbst wenn der Rückgang der Lehrstellen die Industrie nicht in gleicher Härte trifft wie andere Branchen, so steht die Industrie für eine aktive Bekämpfung des Gesamtrückgangs von Lehrstellen ein, denn das sind unsere zukünftigen Fachkräfte“, so Dr. Therese Niss.
Zukunft der dualen Ausbildung nach COVID-19
Die Situation zieht dramatische Auswirkungen über alle Branchen hinweg nach sich: Knapp ein Drittel plant im kommenden Lehrjahr lediglich einen Lehrling zu beschäftigen. Von jenen Unternehmen, die aktuell weniger als 10 Lehrlinge beschäftigen, verzichten viele für 2020/21 gänzlich auf die Einstellung neuer Lehrlinge. „Jeder dritte Lehrbetrieb, der dieses Jahr auf die Einstellung neuer Lehrlinge verzichtet, hat dies auch für 2021 so geplant und sieht sich mit einem langfristigen Ausstieg aus dem Modell der Lehre konfrontiert. Dadurch entsteht ein massiver und nachhaltiger Schaden für die duale Ausbildung“, erklärt Studienautor Dr. David Pfarrhofer. „Die generelle Entwicklung der wirtschaftlichen Lage ist noch schwer einschätzbar. Wie sich die momentane Situation auf künftige Personaleinstellungen auswirkt, ist eine offene Frage. Wir dürfen trotz der Krise aber auch die Zukunft nicht aus den Augen verlieren. Die Aus- und Weiterbildung ist die Grundlage unserer zukünftigen wirtschaftlichen und sozialen Erfolge. Gerade was unsere Lehrlinge und somit die Fachkräfte der Zukunft betrifft, braucht es für Unternehmen daher eine Unterstützung“, so FACC CEO Robert Machtlinger.
Der Lehre unter die Arme greifen – „Lehrlingspaket“ für unsere Lehrlinge
„Was wir brauchen sind konkrete Lösungsvorschläge, wie etwa ein Lehrlingspaket für Österreichs Lehrlinge, um so die Lage zu entschärfen“, fordert DDr. Werner Steinecker. „Eine derzeit im Raum stehende Möglichkeit wäre hier auch die Unterstützung der Lehrbetriebe mit 25% des Lehrlingseinkommens im 1. Lehrjahr. Denn wir werden hier deutliche Mehrinvestitionen brauchen, um das alles aufzufangen.“ Die Studie zeigt: Zwei Drittel der Befragten empfinden diese Option als interessant, mehr als ein Drittel sogar als sehr interessant. Ein Viertel der Lehrbetriebe würde mit dieser Unterstützung auch mehr Lehrlinge einstellen. „Es handelt sich um eine gute Maßnahme, mit welcher der negative Effekt von COVID-19 aufgehoben werden könnte und welche die Situation für viele Lehrbetriebe etwas erleichtern würde. Lehrplätze, die vorher gestrichen worden wären, könnten auf diese Weise gerettet werden“, bekräftigt Flughafen Wien CEO Günther Ofner. Auch die Studie zeigt klar: Die Mehrheit würde zumindest einen zusätzlichen Lehrling beschäftigen. Besonders die Industrie, aber auch Gewerbe & Handwerk sowie Handel würden dieses Angebot nutzen. „Der Handel gehört mit 15.000 Lehrlingen zu den größten Lehrlingsausbildnern im Land. Alle Lehrpläne wurden zuletzt grundlegend überarbeitet. Die von uns initiierte eCommerce-Lehre ist nicht nur der beliebteste aller neuen Lehrberufe in Österreich, die Lehrlinge leisten auch einen wesentlichen Beitrag, um die Corona-Krise zu meistern. Mit dem Lehrlingspaket könnten wir gerade jetzt für unsere Jugend neue Landebahnen in die Zukunft bauen“, sagt Handelsverband- Geschäftsführer Rainer Will. Im Tourismus und der Freizeitwirtschaft ist die Unsicherheit aktuell noch zu groß. „Im Tourismus braucht es nicht nur Zuschüsse zum Lehrlingsgehalt, sondern darüber hinaus auch Sofortmaßnahmen zur Existenzsicherung in Form von Starthilfen nach dem Shutdown und zugesagte Liquidität. Sobald wir auf zumindest einem gesunden Bein stehen, übernehmen wir sofort wieder die Verantwortung für die Ausbildung von Lehrlingen. Mit auf die Branche zugeschnittenen Maßnahmen seitens der Politik gelänge das natürlich rascher“, so ÖHVPräsidentin Michaela Reitterer.
z.l.ö. wächst auch in Krisenzeiten
Seit über zwei Jahren setzt sich die unabhängige und branchenübergreifende Initiative z.l.ö. – zukunft.lehre.österreich. dafür ein, den Stellenwert der Lehre als Fundament der Wirtschaft wieder in Erinnerung zu rufen. Zahlreiche Unternehmen – darunter auch die Energie AG, KTM, FACC und knapp 60 weitere namenhafte Betriebe – haben sich zusammengetan, um gemeinsam neue Wege zu bestreiten und bestehende Initiativen und Interessensvertretungen zu unterstützen. Diese Tatkraft hat sich bewährt. Gerade in Krisenzeiten setzen viele Betriebe auf den Gemeinschaftssinn und schließen sich der Initiative an. „Es ist schön zu sehen, dass trotz Corona-Krise die Zahl unserer Mitglieder steigt. Das zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind und die Betriebe unseren Service schätzen. Wir machen uns für die Lehre stark – und das auch in schwierigen Zeiten. Gemeinsam mit unseren Ausbildungsbetrieben arbeiten wir an der Zukunft der Lehrlingsausbildung“, betont z.l.ö. Generalsekretär Mario Derntl. „Mit unseren Lösungsansätzen bewegen wir uns in die richtige Richtung und werden es gemeinsam schaffen, auch diese schwierige Phase zu überstehen. Ein großer Dank gebührt an dieser Stelle auch den Ministerinnen Margarete Schramböck und Christine Aschbacher sowie der WKO für die Unterstützung und gute Zusammenarbeit.“
Nähere Informationen zu z.l.ö.: www.zukunft-lehre.at