Zustimmung zur Jagd sinkt weiter

15.06.2023

Es ist wenig erfreulich, für die Jagd aber Fakt: Die Zustimmung zur Jagd nimmt seit einigen Jahren in der Bevölkerung kontinuierlich ab 1). Die vorliegende aktuelle Bevölkerungsanalyse bestätigt die Fortsetzung des Negativ-Trends für die Jagd. Bis 2030 dürfte dieser jagdkritische Trend zum Kippen der Stimmung gegenüber der Jagd führen. Dann spätestens werden voraussichtlich die Jagd-Kritiker in Österreich in der Mehrheit sein und die Politik bedrängen, neue – vermutlich sehr enge – Spielregeln für Jäger zu definieren.

In den letzten acht Jahren hat sich die Befürwortung der Jagd um 15 Prozentpunkte reduziert. 2015 war noch eine relative Mehrheit von 42 Prozent aller Österreicher für die Jagd. Inzwischen vertreten nur mehre 27 Prozent ein klares Ja zur Jagd. Die Mehrheit der Bevölkerung ist indifferent geworden, hat eher keine Meinung. Ein knappes Fünftel (19 Prozent) lehnt Jagd in Österreichs Natur dezidiert ab. Die Gruppe der „Meinungslosen“ war bereits vor acht Jahren auffällig hoch. Dieses Segment ist inzwischen weiter angewachsen. Empirische Erfahrung zeigt, dass sich Meinungswandel über den „Aggregatszustand“ der Meinungslosigkeit vollzieht. Mit anderen Worten: Hohe Meinungslosigkeit gegenüber der Jagd bedeutet nichts Gutes, sondern ein erhebliches Risikopotential, welches schnell umschlagen kann in eine „gefühlsmäßige“ Ablehnung.

Mit etwa minus zwei Prozent sinkt derzeit jedes Jahr die Zustimmung zur Jagd in Österreich. Dass sich dieser Trend fortsetzen wird, offenbart sich auch in den Alterssegmenten. Bei den Jungen, also den unter 40jährigen Österreichern, übertrifft die Ablehnung bereits jetzt die Zustimmung. Junge und urbane Bevölkerungsgruppen sind besonders aussagekräftige Indikatoren für Zukunftsentwicklungen.

Damit ist ein Blick auf die Ergebnisse in Wien besonders interessant. Auch hier bestätigt sich, dass derzeit den 21 Prozent Zustimmung zur Jagd insgesamt 26 Prozent Ablehnung gegenüberstehen, also die Ablehnung vorne liegt (wenn man die „Meinungslosen“ außer Acht lässt).

Noch ein Ergebnis ist bemerkenswert:  Österreicher, die sich sehr gut oder zumindest gut über Jagd informiert fühlen, stehen in einem viel höheren Ausmaß hinter der Jagd (Befürwortung von 53 Prozent). Dieses Ergebnis signalisiert wie wichtig es wäre Jagd-Befürworter durch Information zu gewinnen. Gelungen ist dies in den letzten Jahren trotz vielfältiger Bemühungen offenkundig nur eher schlecht.

Das Informationsniveau (sehr gut bzw. gut informiert) über Jagd in Österreich lag 2008 bei mageren 24 Prozent. 15 Jahre später findet sich in den Daten nur eine recht bescheidene Aufwärtsentwicklung beim Informationsstand. Der „Transparenz-Zuwachs“ in Sachen Jagd war jährlich etwa plus 0.3 Prozent, der Verlust an Zustimmung hingegen macht jährlich ca. minus zwei Prozent aus. Rein theoretisch würde es eine zumindest Verzehnfachung der laufenden Informationsbemühungen erfordern, um den Negativ-Trend bei der Zustimmung zur Jagd umzudrehen.

Bleibt die Hoffnung auf die Unentschiedenen und Meinungslosen zum Thema Jagd. Es gibt auffällig viele „Unentschiedene“, möglicherweise bewegen sich diese noch in Richtung „Pro-Jagd“. Das Prinzip Hoffnung funktioniert aber leider auch nicht, zeigt eine etwas andere Einstellungsfrage deutlich.

„Sind Sie dafür, dass in Österreich Jagd auf Wild gesetzlich erlaubt bleibt, oder sollte die Jagd ihrer Ansicht nach in Österreich generell verboten werden?“

Auf diese Frage resultieren aktuell 58 Prozent, die eine gesetzliche Erlaubnis der Jagd befürworten und nur 20 Prozent treten für ein generelles Jagdverbot ein. Doch auch hier der Negativ-Trend: 2016 lag die Zustimmung noch bei 69 Prozent. 11 Prozent Zustimmung zur gesetzlichen Möglichkeit der Jagd sind in den letzten neun Jahren verloren gegangen. Wenn dieses Veränderungstempo anhält, verliert die Jagd bis 2030 die absolute Mehrheit im Meinungsgefüge.

Wieder dramatisch ist die Alterstreppe im Ergebnis. Die bis 30jährigen verspüren offenbar keinen großen Trennungsschmerz, falls die Jagd in Zukunft gesetzlich verboten wird. Die Unentschiedenen (von der Fragestellung nach der Befürwortung) sind zu 57 Prozent derzeit noch eher positiv zur gesetzlichen Jagderlaubnis eingestellt. Da braucht es dann auch nicht viel, dass die Antwortverteilung auf die andere Seite kippt und sie ins Anti-Jagd-Lager rutscht.

Warum dieser Negativ-Trend? Vermutlich hat es sehr viel mit dem allgemeinen gesellschaftlichen Misstrauen zu tun. Die Österreicher misstrauen der Politik, großen Konzernen, den Medien und inzwischen auch zunehmend der Wissenschaft. Der Jagd begegnen die Österreicher ebenfalls mit einem gehörigen Maß an Misstrauen. 40 Prozent der Bevölkerung fordert strengere Kontrollen für die Jagd. Gar 48 Prozent der Jungen sind für mehr „Überwachung“ der Jagd. Dieser Wert wird mit 64 Prozent der Jagdablehner noch deutlich getoppt.

Bemerkenswert: Selbst gut Informierte über Jagd treten zu 38 Prozent für strengere Kontrollen der Jäger ein. Jagd löst offenkundig ziemliches Misstrauen auch bei den „jagdnahen“ Österreichern aus. Warum? Liegt es nur am schwer verständlichen Jägerlatein oder handelt es sich um einen gravierenderen „Fehler im Jagdsystem“, der da im Meinungsbild offenkundig wird. Ob mehr „Grünvorlagen“ oder mehr „grüne Punkte“ die Glaubwürdigkeit da noch retten können?

Wie gut ist der Ruf des Jägers? Was macht sein Image aus? Wenn schon der Infostand über die Jagd eher bescheiden ausfällt, so überrascht es nicht, dass auch das Image der Jäger noch erheblichen Entwicklungsspielraum besitzt.

Betreiben wir ein einfaches Benchmarking: Wie ist der Ruf des Nutztiermanagements im Vergleich zum Wildtiermanagement? Es geht also um das Bild des Jägers im Vergleich zum Bauern mit Viehhaltung? Anhand von acht Kriterien erfolgt die Bewertung. Die nachfolgende Grafik zeigt auf den ersten Blick zwei sehr unterschiedlich große Flächen. Hellgrün ist das Meinungsbild über nutztierhaltende Landwirte und dunkelgrün ist das Image der Jäger. Erste Erkenntnis daraus. Jäger haben im direkten Vergleich ein viel schwächeres Anmutungsbild als Landwirte mit Viehwirtschaft. Mit anderen Worten: Das Bild des Jägers ist vergleichsweise blass.

Die Detail-Ergebnisse haben es in sich. Während Bauern mit Viehhaltung als sehr relevant für die Gesellschaft gesehen werden, bricht in diesem Punkt die Bewertung der Jäger massiv ein. Noch mehr Diskrepanz tut sich beim „Sinn“ auf. Dass österreichische Jäger etwas Sinnvolles machen erschließt sich nur wenigen in der Bevölkerung.

Was sind die Plus-Punkte beim Jäger-Image? Jäger kennen sich mit der Natur gut aus und sie essen gerne Fleisch. Was sind die Minus-Punkte?  Jäger sind wenig sympathisch und man kann ihnen nicht vertrauen. Starker Tobak.

Macht eine weitergehende Analyse unbedingt erforderlich. Wenn Jäger sich gut mit der Natur auskennen, dann werden sie wohl wichtige Verantwortungsträger für eine intakte Natur sein?

Wer sind die glaubwürdigen und wichtigen Verantwortungsträger für eine intakte Natur in Österreich? Nicht die Jäger. Im Trendverlauf gab es auch bei dieser Frage eine Verschlechterung der Kompetenz-Wahrnehmung. Die Hüter der intakten Natur sind aus Sicht der Bevölkerung die österreichischen Nationalparks, Naturschutzvereine sowie die Bundesforste. Auf „Handwerksebene“ betrachtet rangieren Förster und Landwirte weit vor der Jägerschaft.

Diese Ergebnisse verlangen nach einer Neuorientierung der Jägerschaft. Wir werden an unserem Beitrag zur Biodiversität, zu Umbau in Richtung klimafitten Wäldern und zum Umgang mit Großprädatoren (Luchs, Wolf und Bär) gemessen. Beliebige Grünpunktstatistiken, das Beschwören der Tradition und das Vermeiden von „heißen“ Themen bringen uns nicht weiter, sondern manövrieren uns immer tiefer in die Sackgasse.

Wenn einige eher alte (zumindest im Denken) männliche Jagdfunktionäre in manchen Bundesländern derzeit über die Einführung oder Intensivierungen von „Ehrengerichten“ befinden, um damit Weichenstellungen für die Zukunft der Jagd zu setzen, dann haben sie immer noch nicht die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels auf die Jagd begriffen.

Denn anstelle von männlich, alt und „ehrlich“ ist Spielraum zu geben für – jung, urban, offen und weiblich.

 

1) Vergleiche Umfrage Market-Institut: MT2330 KW16 2023, 1.000 Befragte ab 16 Jahren; Erhebungsmethode: Online, Bevölkerungsrepräsentativ; max. statistische Schwankungsbreite: +/- 3,16 Prozent
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