Elisabeth Noelle-Neumann hat vor 50 Jahren einen Klassiker der Meinungsforschung veröffentlicht, die Theorie der Schweigespirale. Demnach hängt die Bereitschaft vieler Menschen, sich zu ihrer Meinung zu bekennen, von der Einschätzung des allgemeinen Meinungsklimas ab. Widerspricht die eigene Anschauung der als vorherrschend betrachteten Haltung, so gibt es Hemmungen, sie zu äußern. Und zwar umso stärker, je ausgeprägter der Gegensatz wird – daher der Begriff Spirale.
Genau dieses Phänomen könnte eine Rolle bei den Erhebungen der Marktforscher im Vorfeld der Landtagswahlen in Kärnten gespielt haben. Alle veröffentlichten Wahlstudien sowie zwei mir bekannte, nicht-veröffentlichte Erhebungen hatten deutliche Stimmenrückgänge bei der ÖVP-Kärnten ausgewiesen – ungeachtet dessen, dass bereits das letzte Wahlergebnis ein historisches Tief der ÖVP-Kärnten markiert hatte. Es kam anders. Ein Plus von 1,58 Prozentpunkten stand am Wahlabend fest und markierte damit ein Halten und Festigen der bestehenden Werte. Ob der zarte Zugewinn von 1,58 Prozent die tobende Begeisterung angesichts des Abschneidens am Wahlabend rechtfertigt, könnte eine Frage sein, die durchaus mit „Ja“ zu beantworten ist. Denn offenkundig bedeutet dieses Ergebnis ein Wende-Signal aus Kärnten für die Kanzlerpartei und damit einiges an Hoffnung, dass die bundespolitische Talfahrt (zumindest temporär) beendet ist. Diese Woche gehen auch die bundespolitischen Wahlpräferenzen für die ÖVP signifikant nach oben. Die Bundes-ÖVP konnte in der KW10 (Basis: 1.000 online Interviews repräsentativ für die Gesamtbevölkerung, Quelle: Lazarsfeld Gesellschaft) um insgesamt vier Prozentpunkte zulegen, die Bundes-SPÖ hat hingegen drei Prozentpunkte verloren. Übrigens: auch die FPÖ büßt diese Woche zwei Prozentpunkte ein, offenkundig hatte die Bevölkerung mit einem höheren Zugewinn der FPÖ-Kärnten gerechnet. Das aktuelle Bundesergebnis zeigt somit die Intensität der Wechselwirkungen zwischen Landtagswahl und allgemeiner politischer Stimmung in Österreich.