Es war eine Denkzettel-Wahl

13.06.2024

Die Grundstimmung in Österreich ist seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine, also seit dem Frühjahr 2022 stark getrübt. Der Optimismuspegel liegt nahezu auf einem Allzeittief und er zeigt keine Wendetendenz nach oben. Die Bevölkerung kritisiert einen Abbau des Lebensstandards und nimmt mehr Lebensrisiko und weniger Zukunftschancen wahr. Ein weiterer starker Treiber der aktuellen schlechten Stimmungslage ist die Beurteilung der Teuerung. Trotz sinkender Inflationsrate reagiert die Bevölkerungs-Einschätzung der Teuerung eher unelastisch. Quintessenz daraus ist eine hohe Unzufriedenheit mit der Regierungsarbeit im Land.

Das Vertrauen der ÖsterreicherInnen in die EU ist aktuell höher als das Vertrauen in die Arbeit der eigenen Regierung. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) sind deklarierte Befürworter der EU. Das Lager der EU-Kritiker umfasst ein Viertel (26 Prozent) der Bevölkerung. Die ablehnende Haltung gegenüber der EU resultiert vor allem aus der europäischen Asyl- und Zuwanderungspolitik. Auf zweiter Ebene stört die Schwerfälligkeit und Bürokratie der EU und weit vorne im Missfallens-Ranking rangiert auch die Unterstützung der Ukraine durch die EU. Letztlich überwiegen aber deutlich die positiven Assoziationen: Die Freiheiten für die EU-Bürger, die Friedenssicherung durch die EU und die wirtschaftlichen Vorteile des Binnenmarktes.

Die Wahlmotive in der Gesamtbetrachtung über alle Parteien zeigen zwei zentrale Ausprägungen: Die relative Mehrheit der österreichischen Wähler (37 Prozent) nutzt die Europawahl als „Denkzettel-Wahl“ gegenüber der Bundesregierung und eine etwa gleich große Gruppe (36 Prozent) spricht die Migrations- und Asylpolitik in der EU als Beweggrund an. Für die einzelnen Parteien resultieren recht unterschiedliche Motivlagen.

Der Wahlsieger FPÖ konnte mit dem Migrationsthema und der Forderung die EU zu verändern hauptsächlich punkten. Die ÖVP erzielte ihr Ergebnis vor allem mit einer hervorragenden Stammwähler-Mobilisierung (40 Prozent-weil ich häufig diese Partei wähle). Die SPÖ-Wähler wollten einerseits die EU stärken und andererseits der Regierung in Österreich einen Denkzettel verpassen. Das zentrale der Motiv Grün-Wähler war die gemeinsame europäische Klimapolitik (72 Prozent). Die Neos wollten mit ihrer Stimme in erster Linie die EU stärken (54 Prozent) und befanden die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ für besonders reizvoll. Ein bemerkenswertes Ergebnis: Die Spitzenkandidaten wurden mit Ausnahme von Helmut Brandstätter eher schlecht bewertet.

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