Dem Vertrauensverlust in der Gesellschaft auf der Spur: Auf wen ist heutzutage überhaupt noch Verlass?

04.05.2023

Die letzten Jahre meinten es nicht gut mit uns. Zuerst die Corona-Pandemie, danach der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, der die größte Inflationsrate seit dem Zweiten Weltkrieg und eine massive Teuerungswelle mit sich brachte. Wenig überraschend hinterlassen diese Krisen Spuren in der Bevölkerung. Ein allgemeiner Vertrauensverlust ist allgegenwärtig und lässt einen oft ungewiss in die Zukunft blicken. MARKET ging der Frage nach, wie es nun tatsächlich mit dem Vertrauen der Österreicher:innen aussieht und stößt dabei auf ungeheure Dynamiken.

Dass sich der gefühlte Vertrauensverlust der letzten Jahre auch in Zahlen ummünzen lässt, zeigt konkret die Frage nach der allgemeinen Entwicklung in diesem Zusammenhang. Mehr als drei Viertel der Österreicher:innen geben in der Erhebung an, dass das grundlegende Vertrauen gegenüber öffentlichen Bereichen und Unternehmen in den letzten Jahren gesunken ist. Konkret 43 Prozent gehen hier sogar von starken Vertrauensverlusten aus, wohingegen kaum jemand von Vertrauenszuwächsen an dieser Stelle spricht. Im Detail zeigt sich dabei auch eine klare Alterskorrelation, die insbesondere die Älteren ab 50 Jahren kritischer an dieser Stelle erscheinen lässt.

Im Detail betrachtet ergeben sich natürlich klare Unterschiede was die einzelnen Branchen und Unternehmen betrifft. Im Ranking jener Bereiche, in denen der Vertrauensverlust am stärksten ist, liegt (einigermaßen erwartungsgemäß) die österreichische Bundesregierung an der Spitze. Allerdings wird diese unmittelbar gefolgt von den zuletzt stark in Kritik geratenen Energieversorgern und Mineralölkonzernen, insbesondere aus Sicht der Älteren ab 50 Jahren.

Etwas überraschend präsentiert sich hier auch der ORF mit besonders hohen Einbußen, wobei ein Grund dafür in der zuletzt medial stark präsenten Gebührendiskussion liegen dürfte. Eine durchwegs ambivalente Sicht gibt es hingegen für den Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, bei dem rund 40 Prozent Vertrauensverlust einem expliziten Zugewinn von rund 20 Prozent gegenüber stehen. Ähnlich verhält es sich übrigens auch mit der NATO.

Wo Verlierer, dort natürlich auch Gewinner: Blaulichtorganisationen (wie z.B. Polizei, Rettung und Feuerwehr) sowie vor allem auch die kleinen, lokalen Lebensmittelhändler gehen aus den letzten Jahren als explizite Vertrauensgewinner hervor. Besonderen Zuspruch erfahren an dieser Stelle übrigens auch – wohl entgegen der Vorurteile so mancher Corona-Leugner und Co – die Bereiche Wissenschaft und Forschung, die uns letzten Endes dann doch gut durch die Pandemiejahre gebracht haben. Umgekehrt liegen große Lebensmittelketten im direkten Vergleich in etwa im Mittelfeld des Verlustrankings.

Während die bisher zitierten Erkenntnisse vor allem die Entwicklungsdynamik der jeweiligen Vertrauensaspekte im Fokus haben, bestätigt letztlich auch der aktuelle Blick auf die einzelnen Unternehmen und Branchen ein eindeutiges Bild.

Gemäß diesem sind es die Blaulichtorganisationen, denen man alles in allem am stärksten vertraut, konkret knapp 40 Prozent geben hier ein entsprechendes Urteil ab. An zweiter Stelle landen wieder die kleinen Lebensmittelhändler, gefolgt von der Wissenschaft beziehungsweise dem Gesundheitswesen.

Besonders auffällig dabei: während Zuletztgenannte unisono eine gute Bewertung quer durch alle Altersschichten erhalten, wächst die Affinität für Blaulichtorganisationen offenkundig erst mit dem Alter deutlicher an.

Dreht man den Spieß um und fragt nach jenen Bereichen, zu denen man derzeit am wenigsten Vertrauen hat, fällt die Entscheidung klar auf die Bundesregierung. Bereits mit deutlichem Abstand, aber dennoch mit knapp 20 Prozent Zustimmung, landen Mineralölkonzerne dahinter auf Platz 2, während Energieversorger, ORF sowie die EU ebenso an vorderster Spitze im Misstrauensranking rangieren.

Abschließend noch ein Wort in eigener Sache. Die Branche der Meinungsforscher:innen, die zuletzt aufgrund politischer Skandale bzw. die ein oder andere Fehlprognose im Zuge von Landtagswahlen medial durchaus gescholten wurde, präsentiert sich hinsichtlich eventueller Vertrauensdefizite aus Sicht der Bevölkerung vielfach stabil und letzten Endes unauffällig. Bleibt somit zu hoffen, dass auch die negativen Beurteilungen einzelner Unternehmen und Branchen schließlich nur eine Momentaufnahme und den derzeit herausfordernden Zeiten geschuldet sind, und ihre Vertrauensdynamik sich zeitnah wieder ins Positive umkehrt.

Dokumentation der Umfrage:

MARKET INSTITUT, MT2330, Basis: n=1.000 national repräsentative Online-Interviews in der Bevölkerung ab 16 Jahren; Befragungszeitraum: KW17 / 2023

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